Das 19. Jahrhundert war die große Zeit der europäischen Kurorte. 2021 wurden elf Bewerber in die Liste des UNESCO-Welterbes der „Great Spa Towns of Europe“ aufgenommen, die mondänsten und berühmtesten Kurorte Europas: Baden-Baden, Bad Ems, Bad Kissingen, Franzensbad, Karlsbad, Marienbad, Baden bei Wien, Spa, Vichy, Montecatini Terme und Bath. Alle diese Orte bemühen sich um eine zeitgemäße Weiterentwicklung. Tradition und Modernität sollen zu einer neuen Verbindung gebracht werden und das große Erbe dieser Städte in gewandelter Form fortführen.


Auch die Entwicklung Boppards am Mittelrhein gehört in die Zeit der Entstehung derartiger Kurorte, in denen sich die Gesellschaftselite des 19. Jahrhunderts zur Erholung von den Mühen des Alltags versammelte, sich präsentierte, Gedanken austauschte, seinen Reichtum genoss, guten Speisen und hervorragenden Weinen nicht abgeneigt war, mit einem Wort: man „kurte“.

Zahlreiche Zeugnisse an der Rheinpromenade verweisen auf diese Entstehungszeit und sollten bei der anstehenden Neugestaltung ihre Berücksichtigung finden. Dabei sind die Berliner Planer auf einem guten Weg, was sich in der grundsätzlichen Entscheidung für den Erhalt der historischen Georg-Francke-Anlagen gezeigt hat. Zu den Elementen einer modernen Stadtplanung gehören aber auch Maßnahmen zum Klimaschutz, d.h. die Entsiegelung und abkühlende Maßnahmen zur Verminderung der Aufheizung öffentlicher Plätze in einer Stadt.



Geprägt wird die Rheinallee durch die noch vorhandenen eindrucksvollen Hotelbauten und Villen aus der Gründerzeit und der Tatsache, dass es den für die Stadt Verantwortlichen einst in kluger Voraussicht gelungen war, den Durchgangsverkehr vom Rhein fernzuhalten.  Doch welche weiteren Traditionen der Kurstadt Boppard sollten auch nach der Neugestaltung nicht aus dem kulturellen Gedächtnis verschwinden und weiterhin an der Rheinpromenade erfahrbar sein?


Da ist das Element Wasser, abgesehen vom Rhein. Die Wasserheilanstalt im ehemaligen Kloster Marienberg zog Gäste aus aller Welt nach Boppard. In gewisser Hinsicht fand dies in jüngerer Zeit seine Fortsetzung durch das Kneipp-Sanatorium St. Ursula, direkt am Fluss gelegen. Eine kleine Kneipp-Anlage erinnerte in den Rheinanlagen an diese Bäder-Tradition der Stadt. Man könnte sie vielleicht in den Rheinanlagen durch ein kleines Kneippbecken wieder aufleben lassen und damit zugleich einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Das vom VVV und der Stadt im vergangenen Jahrhundert errichtete Arboretum bedarf weiterer Pflege, nicht zuletzt im Zuge der Klimaveränderungen. Im französischen Vichy bildet ein Pavillon inmitten des dortigen Arboretums, errichtet im luftigen Jugendstil und ohne dichte Versiegelung im Umfeld, ein mögliches Vorbild für einen neuen Pavillon, der sich harmonisch in den Landschaftspark der Georg-Francke-Anlagen einfügen könnte. Auf- und Abbauarbeiten wie bei der Verwendung einer mobilen Bühne würde diese Lösung unnötig machen.


Ein Erhalt des Geländers am ehemaligen Rheinkran, das wohl aus dem Jahr 1906 stammt, würde an die Entstehungszeit der Rheinpromenade erinnern und zu einer gelungenen Symbiose von Tradition und Moderne an der künftigen Rheinallee beitragen können. Gleiches gilt für die Überlegung, ob man am Karmeliterplatz noch deutlicher auf den Verlauf der Stadtmauer verweisen kann, um dem Eindruck eines riesigen gepflasterten Bereiches dort etwas entgegenwirken zu können. Ein kleiner Brunnen als Zeichen des Lebens in der unmittelbaren Nähe der Karmeliterkirche könnte den Platz unterteilen und wäre auch im Sinne einer Versorgung der Bevölkerung und der Gäste mit kühlendem Nass im Zeichen steigender Temperaturen eine wünschenswerte Maßnahme.


Den Blick auf den Rhein erlebbar zu machen, was ja auch für die Kurstadt Boppard immer ein Anliegen war, ist erfreulicherweise eines der Hauptanliegen der bisherigen Planung. Diese Aussicht hat der Besucher aber in erster Linie, wenn er an der Promenade steht. Er bekommt diesen Blick kaum, wenn er aus der Innenstadt durch eher enge Gassen sich in Richtung Rhein bewegt. Daher müssen auch keine weiteren Bäume geopfert werden, um neue Sichtachsen zu erschließen. Wenn man in diesen Bezügen denkt, fällt einem eher der jüngste Fehlgriff im Zusammenhang mit der Lärmschutzwand im Generationenpark ein, der aber leider nicht mehr zu korrigieren ist.

In diesem Sinne ist zu hoffen, dass die fortschreitende Planung zur Neugestaltung der Rheinpromenade zu einer gelungenen Verbindung von Tradition und notwendiger Erneuerung führen mag. Abgesehen von dem erheblichen Finanzierungsproblem sind die Aussichten dafür gegeben, wie es die letzte erfreuliche Präsentation des Berliner Architekturbüros im Stadtrat gezeigt hat. Doch der Aspekt des Klimawandels scheint noch ausbaufähig zu sein, bewegen wir uns doch bei Fragen der Stadtplanung allesamt im Zeichen der rapiden voranschreitenden Erwärmung und den damit einhergehenden Herausforderungen.

 

Dr. Rainer Lahme


Leserbrief aus Rund um Boppard, 6. Oktober 2023

Von der Straßenseite her ist die Lärmschutzwand nun als Kletterwand ausgestaltet und wartet auf die ersten Nutzer

Ein kranker Baum unmittelbar an der Skateranlage im Generationenpark musste weitgehend entfernt werden. Im Augenblick ragt nur noch der Stamm wie ein Mahnmal in die Höhe.

Bei der Sitzung des Stadtrates am 17. Juli 2023 hat das Berliner Architekturbüro Reschke eine in wesentlichen Punkten (Karmeliterplatz, Georg-Francke-Anlagen) veränderte Vorplanung präsentiert. Zahlreiche Kritikpunkte, die in den Gremien der Stadt und bei der Bürgerversammlung vorgebracht worden waren, wurden von dem Architekturbüro positiv aufgegriffen und fanden ihren Niederschlag in der veränderten Vorplanung.

 

Aus der Sicht des Geschichtsvereins stellt dies eine erfreuliche Entwicklung dar und macht deutlich, dass sich das Engagement von Vereinen und Bürgern in den vergangenen Tagen und Wochen als ein positiver Faktor in dieser Phase der Planungen erwiesen hat.

Leserbrief zu Vorplanung Rheinallee, veröffentlicht in der RuB

 

Blankes Entsetzen



Die Bopparder Rheinpromenade ist sicherlich ein wenig in die Jahre gekommen und bedarf einer behutsamen Erneuerung. Doch gerade die kleinen Verfallserscheinungen vor dem Hintergrund eines noch weitgehend intakten hochwertigen kulturellen Erbes machen den Charme der Bopparder Rheinanlagen aus. Sie gewinnen dadurch eine Individualität, unterscheiden sich von ähnlichen Promenaden entlang des Rheins. Der Gedanke an eine Neugestaltung der Rheinanlagen, auch mit dem Blick auf die Planungen zur Buga 2029, ist also einsehbar und überzeugend.

Die nun vorliegende Vorplanung des beauftragten Berliner Planungsbüros FRL bringt aber keine behutsame Überarbeitung der Rheinpromenade, sondern vernichtet deren Individualität zugunsten einer beliebigen Spiel- und Tourismusmeile, wie man sie überall finden kann. Die Planung lässt sich kaum auf Boppard als Stadt und deren Bedürfnisse ein, sie versteht diese nicht oder sie hat einfach kein Interesse dafür. Es geht ihr vor allem um das Verlegen von Steinen, so der Eindruck.

Man muss kein Anhänger des Klimaschutzes der ersten oder der letzten Generation sein, um festzustellen, dass die wissenschaftlich ausreichend nachgewiesenen Anforderungen für ein klimagerechtes Bauen in Städten nicht beachtet werden. Dazu reicht die reine Vernunft vollständig aus. Ausgerechnet der unter dem Aspekt der weiteren Erhitzung von Städten so problematische Bereich um die Kurfürstliche Burg wird zum Vorbild erkoren, um den Karmeliterplatz nun „analog“ zu gestalten und „als Herzstück der Stadt“ zu akzentuieren. Pflastersteine sind offenbar das Zauberwort der Planer, überall sollen sie verlegt werden, völlig losgelöst von der damit zunehmenden Versiegelung und den steigenden Temperaturen.

Daher sprechen die Planer auch davon, dass sich „über die gesamte Länge und Breite der Promenade…ein ruhiger Teppich aus gesägtem Großsteinpflaster“ ziehen werde, nützlich vor allem im Sinne einer guten Begeh- und Berollbarkeit. Welcher Werbetexter hatte nur den Einfall, im Zusammenhang mit Großsteinpflaster den Begriff von einem Teppich zu kreieren? Mit gutem Recht könnte man auch davon sprechen, der Garten Eden habe wegen einer ruhigen Sandfläche in der Arabischen Wüste gelegen, wo es abwechselnd zu heiß und kalt war und die Menschen nach Oasen suchen mussten, um zu überleben. Man sollte es also mit den Wortschöpfungen nicht zu weit treiben, denn sie haben die Eigenschaft, den Menschen über die wirklichen Verhältnisse und Absichten zu täuschen.

Dazu gehört auch die Frage, was ein „kühles und angenehmes Mikroklima entlang der ganzen Rheinallee“ schaffen kann. Der Burgplatz und der analog gestaltete Karmeliterplatz können es ja nicht sein. Sollen es die neugepflanzten Stauden, Sträucherflächen und der Rasen sein, die diese Aufgabe in Zukunft übernehmen? Was die Bäume angeht, haben die Planer ganz offensichtlich selbst ihre Zweifel. Die Bestandsbäume auf dem Karmeliterplatz werden entsorgt, und was die uralten und in Jahrzehnten gewachsenen Bäume in den Georg-Francke-Anlagen angeht, da ist man offenbar unsicher, ob sie die Eingriffe der Umgestaltung unbeschadet überstehen werden. Denn für den Umgang mit der bestehenden Allee und deren in Beton gefassten Wurzeln seien „zusätzliche Untersuchungen notwendig“, heißt es nebulös. Über die kulturelle und für das Klima in der Stadt bedeutende Rolle des jetzigen Arboretums in den Bopparder Rheinanlagen findet man in der Planung selbstredend kein Wort. Es hat ja auch nur Jahrzehnte gemeinsamer Arbeit von VVV und Stadt gedauert, dieses einmalige Arboretum entlang der Rheinallee entstehen zu lassen.

Alles in allem würde Boppard bei einer unveränderten Umsetzung der Planungen, die sich bereits in den ersten Entwürfen angedeutet hatte, seinen Alleinstellungscharakter mit der Rheinpromenade unwiderruflich verlieren. Etwas böse formuliert, würde Boppard mit der Ausgestaltung seiner Uferzone eher St. Goar folgen, als einen eigenen Weg zu finden.  Es ist kaum zu erwarten, dass die angekündigte Vorstellung der Vorplanung am 11. Juli 2023 in der Stadthalle und die Bürgerbeteiligung noch viel an den Planungen verändern werden.

Zu verlockend ist offenbar die Aussicht auf Fördergelder, die Versuchung, auf Individualität zu verzichten und einem allgemeinen Trend zu Spiel und Unterhaltung zu folgen und zu gering die Vorstellung, was Boppard verlieren wird, wenn man so gedankenlos mit seinem größten Pfund umgeht, dem großartigen kulturellen Erbe dieser Stadt. Was als erster Eindruck beim Verfasser dieses Leserbriefes bleibt, der sich aber gern von anderen Argumenten korrigieren lässt, ist blankes Entsetzen und die kaum zu erfüllende Hoffnung, dass diese Vorplanung, allein schon wegen der ganz offenkundigen Kostenfallen, zurückgenommen wird.

 

Dr. Rainer Lahme, Boppard

Im Generationenpark wird im Juli 2023 eine Kletter- und Lärmschutzwand errichtet. Dies war eine Spätfolge der Baugenehmigung für die Skateranlage.

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