Vergeblich hatte der Geschichtsverein sich gegen die Einrichtung des Mehrgenerationsparks ausgesprochen und sich für Änderungen an dem Konzept ausgesprochen. Inzwischen verschandelt eine sogenannte Kletterwand den Blick auf die Bopparder Rheinanlagen, gegen die Hitze im Sommer müssen Sonnensegel installiert werden. Und scheinbar hätte es nicht so kommen müssen, wie es ein Bericht in der Rund um Boppard vom März 2025 nahelegt. Schade.
Weihnachten 2024
Sehr geehrte Mitglieder,
der britische Premierminister Harold Macmillan sprach vor Jahrzehnten davon, dass dem Weltreich der Wind des Wandels ins Gesicht blase. Und er zog daraus die Konsequenzen, und London löste sich von seinen verbliebenen ehemaligen Kolonien und es entstand das Commonwealth of Nations als eine Organisation unabhängiger Staaten.
Und heute sehen sich die westlichen Demokratien in ebenso dramatischer Weise innen- und außenpolitisch zunehmend mit autokratischen Herausforderungen konfrontiert, ohne eine entsprechende Antwort gefunden zu haben. Nach innen funktionieren Demokratien auf Dauer nur dann, wenn es in ausreichender Zahl mündige Bürger gibt, die sich für diese freiheitliche Staatsform engagieren und dafür auch mitunter ihren Wunsch nach individueller Selbstverwirklichung ein wenig zurückstellen. Demokratie ist für den Bürger eben anstrengend und nicht einfach für immer gegeben, er muss sich ausreichend informieren, Zeit investieren, sich für das Allgemeinwohl einsetzen. Mitunter muss er sich sogar noch beschimpfen lassen und um seine körperliche und geistige Unversehrtheit fürchten. Demokratie widersteht von ihren Prinzipien her dem Wunsch nach schnellen und einfachen Lösungen, sie ist eine schwerfällige Regierungsform, aber die Beste im Vergleich zu den konkurrierenden autokratischen Staatsformen. Werden diese Grundlagen eines demokratischen Gemeinwesens dauerhaft und über einen langen Zeitraum untergraben, haben selbst Verschwörungstheoretiker die Chance, in hohe Ämter gewählt zu werden.
Vereine sind ein kleiner Teil der gesellschaftlichen Organisationen, auf denen unsere liberal-demokratische Ordnung des Westens beruht. Sie leisten vielfältige Arbeit in allen Bereichen der Gesellschaft. Im Falle eines Geschichtsvereins handelt es sich naheliegend um die Aspekte Kultur und politische Bildungsarbeit, zu denen auch die Geschichte zählt. Die Vermittlung geschichtlicher Kenntnisse durch Vorträge, Fahrten, Diskussionen ist ein kleiner Mosaikstein, aber doch nicht ganz unwesentlich für das fortdauernde Bestehen einer von der Gesellschaft getragenen und akzeptierten Regierungsform. Wer die eigene Geschichte nicht kennt, tut sich auch bei politischen Entscheidungen auf der kommunalen Ebene mitunter schwer.
In diesem Sinn hat auch unser Verein versucht, seinen Beitrag in den letzten Jahren zu leisten. Doch der Wind der Veränderung geht auch am gesamten traditionellen Vereinswesen und an unserem Verein nicht vorbei. Zahlreiche Aktivitäten sind zurückgefahren worden, angedachte Initiativen sind nur halbherzig vorangetrieben worden oder ganz auf der Strecke geblieben. Und das Engagement in unserem Verein ist merklich zurückgegangen, gleichfalls der Austausch zwischen Mitgliedern und Vorstand. Die Gründe sind nachvollziehbar.
Doch diese Entwicklungen gehen auch an denjenigen nicht einfach vorbei, die ehrenamtlich im Verein tätig sind. Lassen Sie mich dies plastisch in dem Bild des Vorsitzenden zusammenfassen, der sich zu Beginn eines angekündigten Vortrages mit Sorge fragt, ob sich denn auch genügend Zuhörer einfinden werden, ob der Zeitpunkt richtig gewählt wurde, das Thema passt, das Wetter nicht zu heiß oder zu kalt ist, der Ort des Vortrages auch den Zuhörern zusagen wird. Dieses Gefühl der Unruhe und Besorgnis hat in der letzten Zeit zugenommen.
Mit anderen Worten: auch der Geschichtsverein steht im kommenden Jahr vor wachsenden Herausforderungen, und es wird nicht alles so bleiben, wie es einmal war. Im Sommer 2025 ist unsere Mitgliederversammlung angesagt, und Neuwahlen für den Vorstand sind der wohl wichtigste Punkt auf der Tagesordnung. Vielleicht sollten wir uns alle gemeinsam rechtzeitig darüber Gedanken machen, wer in der Zukunft die Vereinsarbeit tragen und wie diese gestaltet werden soll.
Dennoch möchte ich es nicht versäumen, Ihnen ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes Neues Jahr 2025 zu wünschen und mich bei allen Freundinnen und Freunden zu bedanken, denen ich für Ihre Unterstützung in der Vereinsarbeit überaus dankbar bin. Ganz herzlichen Dank!!!!
Ihr
Dr. Rainer Lahme
Mit dem Geschichtsverein auf Spurensuche in der Oberstraße
Kaum etwas im Leben ist so sicher wie der Wandel. Diese Binsenweisheit trifft auch auf die Entwicklung unserer Innenstädte zu. Innerhalb weniger Generationen hat sich der Anblick eines Stadtviertels oder einer Straße so rasant verändert, dass man das Alte im Neuen kaum noch erkennt. Die Vergangenheit droht in Vergessenheit zu geraten. So hat sich auch die Oberstraße in Boppard merklich verändert, ohne dass dieser Prozess sogleich ins Auge fällt. Um die Erinnerung wachzuhalten, sind Zeitzeugen gefragt. Daher möchte der Geschichtsverein mit der Unterstützung von Zeitzeugen und in Zusammenarbeit mit dem Museum der Stadt Boppard sich auf Spurensuche in der Oberstraße begeben.
In der Zeit der Römer war die spätere Oberstraße die zentrale West-Ost-Verbindungsachse des Kastells Bodobrica (errichtet um 330/340 n.Chr.). Im Mittelalter behielt sie als Obergasse in der durch eine mächtige Stadtmauer geschützten Stadt ihre zentrale Funktion für die Reichsstadt am Mittelrhein. In der Neuzeit drängte sich alsdann der zunehmende Verkehr durch die Oberstraße und die Innenstadt, als die Bundesstraße 9 und damit die wichtigste Verkehrsader am Rhein quer durch Boppard lief und der motorisierte Verkehr die Bewohner an die Seite drängte. 1985 wurde die Oberstraße alsdann zur Fußgängerzone, die Verkehrsführung innerhalb der Stadt verändert, was eine enorme Veränderung des Lebensgefühls mit sich brachte. Eine drastische Veränderung des Stadtbildes ergab zudem die Verlegung der B 9, die bis dahin durch die Innenstadt geführt worden war. Am 12. Dezember 1991 konnte der zweite Bauabschnitt der innerörtlichen Umgehung für den Verkehr freigegeben werden. Heutzutage sind es neben der Verkehrssituation die demografischen Verschiebungen und das auch in Boppard zu beobachtende Phänomen des Aussterbens der Innenstädte, die das Gesicht der Bopparder Oberstraße im Vergleich zu den 50er und 60er Jahren noch einmal nachhaltig verwandeln. Diesen Prozess der Veränderung wollen wir festhalten, bevor die Erinnerung an diese Zeit des Wandels weiter verblasst.
Durch die Gegenüberstellung von historischen Fotos aus der Oberstraße mit Aufnahmen aus der Gegenwart soll dieser Prozess der Veränderung dokumentiert werden. Durch die Sicherung der Erinnerung von Zeitzeugen wollen wir insbesondere der Frage nachgehen, welche baulichen Veränderungen stattgefunden haben und wie sich vor allem das Angebot und die Struktur der Geschäfte in der Oberstraße verändert haben. Und welche Ereignisse haben den Wandel vorangetrieben? Welche gesellschaftlichen und politischen Veränderungen am Mittelrhein haben auch den Charakter der Oberstraße beeinflusst? Oder waren es vor allem Einschnitte, die unmittelbar die Stadt Boppard betroffen haben? Also:
die Veränderung in der Rheinschifffahrt, der aufkommende Club-Tourismus, das Verblassen von Boppard als Kurort, die Schließung des Goethe-Instituts und die Schließung der Kurklinik, die Veränderung der Verkehrsinfrastruktur und die Einrichtung einer Fußgängerzone, die Veränderungen auf dem Marktplatz (seit wann Parkplatz?), das Auftauchen von ersten Supermärkten in der Oberstraße oder am Stadtrand, die Etablierung von Großhandelsketten und die dadurch hervorgerufene Veränderung für den Einzelhandel.
Eine Datenbank für Bildmaterial, die aber auch durch schriftliche Zeugnisse und Erinnerungen bereichert werden soll und muss, ist seit einigen Monaten eingerichtet worden. Nun soll es darum gehen, diese Datenbank auch mit der Hilfe der Bopparder Bevölkerung mit Inhalten zu füllen. Wer sich vorstellen kann, den Verein mit Material zu unterstützen, kann sich jederzeit an den Vorstand des Geschichtsvereins wenden, denn nur mit der Hilfe und dem Engagement der Bürger hat unser kleines Projekt eine Chance, auch erfolgreich die Erinnerung an die Oberstraße aufzuarbeiten und sie dem Prozess des Vergessens zu entwinden.
Kontaktadresse:
Dr. Rainer Lahme, Parkstr. 36 56154 Boppard oder Mail: rainer-lahme@t-online.de