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Vortrag von Herrn Dr. Friedhoff vom Europäischen Burgeninstitut in Braubach am 29. Februar 2024 zu dem Thema: "Why shall I go on the Rhine this year?" Von der Ruinenromantik zum Burgenerlebnis der modernen Freizeitgesellschaft


Der Vortrag mit Bildpräsentation legte den Fokus auf die Mittelrheinlandschaft als Reiseziel vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Bis heute zählt das Obere Mittelrheintal zu den burgenreichsten Landschaften Europas. Wie präsentierte sich die Region dem Rheinreisenden um 1800? Führte die in zahlreichen Reiseführern thematisierte verheerende Zerstörungswelle der Burgen im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-1697) tatsächlich zu einem Totalverlust der Burgen entlang des Flusses? Wie haben sich politische Weichenstellungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts (territoriale Flurbereinigung und Dominanz des Königreichs Preußen und des Herzogtums Nassau) sowie technische Innovationen (Dampfschifffahrt) auf das Reiseverhalten ausgewirkt? Um 1900 sind die Anfänge der Burgenforschung anzusetzen, die mit der Abkehr von einem „romantisch-verklärten“ Mittelalterbild einhergeht. In den letzten Jahrzehnten eröffneten unterschiedliche Forschungsdisziplinen neue Zugänge zu der Burgenlandschaft, die jedoch erst ansatzweise im Burgen-Marketing der Tourismusbranche umgesetzt worden sind. Begleiten Sie den Referenten auf eine Zeitreise durch zweihundert Jahre zu herausragenden Objekten der Burgenlandschaft des Oberen Mittelrheintals.

 

Der Referent:

Dr. Jens Friedhoff: Historiker, Kunsthistoriker und Burgenforscher. Leiter des Stadtarchivs Hachenburg, Mitarbeiter des Europäischen Burgeninstituts Schloss Philippsburg, Vorstandsmitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Burgenvereinigung und Mitglied der Historischen Kommission für Nassau. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Landesgeschichte sowie zur Kulturgeschichte des Adels sowie zu Burgen und Schlössern der Region.



Für seinen mit viel Engagement und zahlreichen Bildern unterlegten Vortrag wurde Herr Dr. Friedhoff von einem bis auf den letzten Platz gefüllten Auditorium im Museum Boppard mit viel Applaus verabschiedet.


Für den Geschichtsverein freute sich dessen Vorsitzender für einen gelungenen Vortragsabend zusammen mit der Stadt Boppard, da auch zahlreiche Zuhörer gewonnen werden konnten, die nicht dem Verein angehörten.


Vortrag am 20. Juli 2023 im Museum der Stadt Boppard

18.00 Uhr

Prof. Dr. Falko Daim

Universität Wien


Zur Bedeutung der eurasischen Steppenvölker

(Hunnen, Awaren, Ungarn)

für Mitteleuropa

Grandioser Vortrag in der Kurfürstlichen Burg über die Steppenvölker der Hunnen, Awaren und Ungarn

 

Es war eine Sternstunde der Geschichte: am Freitag, den 20. Juli 2023, hielt Falko Daim, Professor an der Universität Wien und langjähriger Direktor des Römisch - Germanischen Zentralmuseums in Mainz, einen fulminanten Vortrag über die Nomadenvölker der Hunnen, Awaren und Ungarn.


Es dürfte kaum einen besseren Kenner der Materie geben als ihn, der über Jahrzehnte selbst in zahlreichen Ländern Forschungsprojekte und Ausgrabungen geleitet hat und immer noch bestens mit der internationalen archäologischen Forschung vernetzt ist. So konnte er den faszinierten Zuhörern und Zuhörerinnen Einblick in ein ganz aktuelles interdisziplinäres Forschungsprojekt geben: Histo-Genes. Dies ermöglicht es, durch die Untersuchung kleinster Partikel von Skeletten die Herkunft der Bestatteten zu bestimmen und ist daher in der Lage, die Arbeit der Archäologen maßgeblich zu unterstützen.

Besonders stolz ist Prof. Daim darauf, dass eines der Gräberfelder in Leobersdorf in Österreich, das von ihm selbst erforscht wurde und in dem Awaren bestattet waren, Teil des Projektes ist. Unter den Toten waren drei, deren Gräber besonders reich ausgestattet waren. Wie er nun nachweisen konnte, handelte es sich bei ihnen um Brüder bzw. Halbbrüder, die offensichtlich zur Elite gehörten und in zentraler Lage bestattet waren. Zudem konnte er beobachten, dass miteinander verwandte Personen nahe beieinander begraben wurden. Und der Vergleich zu einem weiteren erforschten Gräberfeld konnte zeigen, wie unterschiedlich die Zusammensetzung der einzelnen Ortschaften im Karpartenbecken beschaffen sein konnte. Während die eine Siedlung nahezu ausschließlich Menschen mit ostasiatischer Herkunft beherbergte, zeigte sich das Bestattungsareal an einer anderen Stelle als viel durchmischter.


Eine der wichtigsten Botschaften von Prof. Daim war es daher, seine Zuhörer und Zuhörerinnen auf die großen Unterschiede innerhalb der einzelnen Nomadenvölker aufmerksam zu machen, die sich sowohl im Grad ihrer Sesshaftigkeit, der Tierhaltung, der Kultur u.v.m. unterschieden. Es waren diejenigen, die große Tiere hielten, die viel Nahrung benötigten, und die Pferde hielten, die sich dann zu den kriegerischen Reitervölkern entwickelten, die mit ihren Raubzügen aus der Steppe Asiens bis in das Karpartenbecken vordrangen: erst die Hunnen, dann die Awaren und zuletzt die Ungarn.


Und mit einem weiteren bis heute noch sehr lebendigen Vorurteil räumte Prof. Daim ebenfalls auf: während noch häufig die Rede von einem Ansturm dieser Völker gesprochen wird, konnte die Archäologie und Historiographie inzwischen nachweisen, dass diese Nomadenvölker eher langsam einsickerten und sich festsetzten. Das konnte oft auch gut einhundert Jahre dauern.

Und noch eine für die Zuhörer und Zuhörerinnen überraschende Erkenntnis brachte der Abend: in vielen Fällen fielen die Ungarn z.B. nicht in das Reich ein, sondern wurden von interessierten Parteien, z.B. sogar auch Bischöfen, ins Land gerufen, um die überaus erfolgreichen und geschickten Reitertruppen gegen ihre Gegner in Stellung zu bringen.

Mit zahlreichen Belegen in dem überaus reich bebilderten Vortrag konnte Prof. Daim zudem den Reichtum und die hohe kulturelle Qualität dieser Nomadenvölker aufzeigen, die über den Handel in engen Kontakt mit fast allen Ländern zwischen China und der Nordsee standen. Dabei eigneten sie sich einerseits die Kulturen an, in deren Siedlungsraum sie vordrangen und sich dann auch niederließen, brachten andererseits jedoch wichtige Errungenschaften wie den Steigbügel mit, der die Reit- und damit die Kriegskunst entscheidend veränderte.

Und auch die spektakulären, reich verzierten Grabbeigaben aus Gold sind Hinweis auf den hohen kulturellen Stand der Nomaden. Sie bieten zudem die Gelegenheit, in ihre Vorstellungswelt vorzudringen und nach neuen Interpretationen zu schauen: so konnte ein Fabelwesen von Professor Daim als eine Mischung aus gehörntem Löwen und einem Greif identifiziert werden, was bisher von den Archäologen so nicht wahrgenommen worden war.

Eine neue Forschungsarbeit soll diesen Mischwesen und ihrer Herkunft und Verbreitung in der Kunst demnächst auf die Spur gehen. Diese Funde am Objekt sind es, welche die Wissenschaft einen großen Schritt beim Verständnis der Steppenvölker voranbringen können.

Es gäbe noch viel zu berichten von diesem denkwürdigen Abend, der von den Anwesenden mit großem Applaus bedacht wurde.

Der Vorsitzende des Geschichtsvereins, Dr. Rainer Lahme, betonte in seinem Schlusswort ausdrücklich seine Freude, dass es gelungen war, mit Herrn Prof. Daim einen herausragenden Vertreter der Erforschung der Steppenvölker für einem Vortrag in der Kurfürstlichen Burg in Boppard zu gewinnen.

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